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Das Warten auf das zweite Album des Berliners hat sich gelohnt

„Meine Frau und meine Eltern wünschen sich einen normalen Samra, doch ich schaff es nicht, vernünftig zu sein.“ Das zweite Album von Hussein Akkouche strotzt vor Zeilen wie dieser. Selten ist ein deutscher Rapper so schnell nach einem kometenhaften Aufstieg so hart mit sich selbst und den Schattenseiten des Erfolgs ins Gericht gegangen. Man muss sich das mal kurz vor Augen führen: Aufgewachsen mit neun Geschwistern in einer Südberliner Hochhaussiedlung, brauchte es für Samra nur eine Strophe, erschienen auf dem Album „Zurück zur Straße“ von Alpa Gun, um die Grossen der Szene auf sich aufmerksam zu machen. Wenig später signte ihn Bushido, kurz vor dessen folgenschwerer Trennung von seinem ehemalig engsten Geschäftspartner. Dann kam Capital Bra zu EGJ. Kurz danach sagten sich Samra und Capi von Bushido los, wurden das erfolgreichste Rap-Tandem des Landes und schrieben Hit nach Hit. Aber auch diese enge Verbindung war nicht für die Ewigkeit gedacht – 2020 kam es zur Trennung. Und das alles: unter den Augen Hunderttausender. Man muss sich das alles bewusst machen, um zu verstehen, warum „Rohdiamant“ düster klingt und auch lyrisch konstant von einer melancholischen Schwere durchzogen ist – selbst dann, wenn Samra mal über Rap-typische Statussymbole spricht. Ja, „Rohdiamant“ ist ein schwerer Brocken: 21 Songs hat Samra dafür aufgenommen. 21 Songs über das Leben als Star, die damit verbundene Einsamkeit, dem daraus folgenden Alkoholismus, dem Drogenmissbrauch und der daraus folgenden noch grösseren Einsamkeit. Warum man dieses Album trotz all der Schwermut hören sollte, und zwar unbedingt? Weil Samra nicht nur mit einer wahnsinnig eindrücklichen und intensiven Stimme gesegnet ist und sein Handwerk mehr als gut beherrscht, sondern weil er mit seiner Musik einen unersetzlichen Gegenpol zu all den Songs liefert, in denen ein Rapstar-Leben im Überfluss zelebriert wird, als wäre er der Weg zum Glück. Und nicht zuletzt, weil er in seinen Songs so nahbar und aufrichtig klingt wie kein zweiter.

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